Demokratisches Selbstbewusstsein entwickeln

Antidemokratische Angriffe auf Kommunalpolitiker*innen, Verwaltungsangestellte und andere Repräsentant*innen des Staates werden zu einem immer größeren Problem. Trotz Corona und vielen ausgefallenen Veranstaltungen: die Zahlen steigen, Angriffe auf Politiker*innen etwa nehmen für das Jahr 2020 um 9 Prozent zu. Ein erster, ganz zentraler Weg, sich solchen Angriffen entgegenzustemmen und dem Druck, den antidemokratische, rechtsradikale und rechtsextreme Akteure auf Kommunen in Ostdeutschland ausüben, standzuhalten, ist das Sammeln von Stimmen und Geschichten Betroffener: Öffentlichkeit schaffen, nicht schweigen, die Probleme benennen. Wer den Druck aus den Rathäusern und Verwaltungsgebäuden heraus ans Licht der Öffentlichkeit trägt, schafft Gelegenheiten für eine solidarische Vernetzung mit anderen Betroffenen und den Austausch über den Umgang mit Anfeindungen.

Solidarität üben

Überhaupt ist Solidarität eine kaum zu überschätzende Ressource, wenn es darum geht, sich dem antidemokratischen Backlash entgegenzustellen: Angriffe auf einzelne Engagierte sind Angriffe auf uns alle, auf unsere offene und demokratische Gesellschaft, auf unser politisches System und unsere Lebensweise. Alle Demokrat*innen – ob in Zivilgesellschaft, Politik oder Verwaltung – müssen es als ihre ureigenste Verantwortung erkennen, sich ganz von sich aus und ungefragt an die Seite von Betroffenen von rechter Gewalt, Hetze und Hass zu stellen. Den Angegriffenen hilft jeder Zuspruch, jede Solidaritätsbekundung enorm weiter, denn sie merken, dass sie nicht alleine sind, wenn sie sich dem Hass gegenüber hilflos fühlen.

Verbündete suchen

Dabei können Kommunen die demokratische Zivilgesellschaft als Verbündete und Kooperationspartnerin begreifen. Das schließt die örtlichen Beratungsstellen ein, deren Arbeit im Podcast vorgestellt wird, wie auch bürgerschaftlich Engagierte (z.B. in Bürgerstiftungen) aber auch lokale Demokratie- und Antidiskriminierungsinitiativen. Denn diese sind meist ebenfalls Anfeindungen ausgesetzt, und oft durch die gleichen Akteur*innen. Zivilgesellschaft muss dafür aber in den Kommunen auch als schützenswertes Gut an sich wahrgenommen werden, als elementarer Teil einer demokratischen Gesellschaft, der Kommunalpolitik ergänzt und begleitet – sei es auch kritisch.

Vor Ort aktiv werden

Gemeinsam mit der örtlichen Zivilgesellschaft kann auch aktiv eine kommunale Gedenk- und Empowermentkultur vorangetrieben werden. Gibt es Jahrestage, die marginalisierten Communities vor Ort wichtig sind, und kann die Kommune thematische Veranstaltungen aktiv unterstützen? Gibt es in der Kommune Partner*innen, mit denen gemeinsam zum Beispiel zum Internationalen Tag gegen Homophobie oder zum Jahrestag der Novemberpogrome am 9. November Farbe bekannt werden kann?

Verwaltungen als Demokratieinstitutionen begreifen

Ein wichtiger Baustein im Schutz gegen Angriffe der Antidemokraten ist ein emphatisches Selbstbild der Kommunalverwaltungen als Demokratieeinrichtungen: mit einer klaren Menschenrechtsorientierung, mit einem Bewusstsein für Diversitystandards in der Personalpolitik, und einer demokratischen Behördenkultur, die reflektiert, dass tradierte Hierarchien Einfallstore für Autoritarismus in der eigenen Organisation sind. Ein wirksames Instrument sind etwa Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsbeauftragte.

Entscheidend bleibt, wer zuerst den Rahmen einer Debatte vorgibt: sich proaktiv mit antidemokratischen Einstellungen und Inhalten, Handlungsstrategien und Akteur*innen vor Ort auseinandersetzt, sich argumentativ wappnet und Gegenmaßnahmen entwickelt, wird von Anfeindungen nicht überrascht und verunsichert werden. Im Gegenteil helfen diese Vorbereitungen, souverän auf Hass und Hetze zu reagieren, sich klar abzugrenzen und rechtsextremen Versuchen der Raumnahme entschieden zu begegnen.

Bildnachweis : Portrait Timo Reinfrank von Peter van Heesen, Copyright: Amadeu Antonio Stiftung